Die Tücken des Freizeit-Scrum

Mit der Einführung von Scrum sind verschiedene Hoffnungen verbunden. Genauso häufig werden jedoch fatale Fehler begangen, die Projekte scheitern lassen. Eine typische Problematik ist Teilzeit-Scrum: Teams arbeiten mit minimalem Fokus am Projekt, oft gerade mal an einem Arbeitstag pro Woche.

Schmalspur-Kapazitäten vs. High-Performance-Erwartungen

Trotzdem wird erwartet, dass alle Vorteile des Frameworks zum Tragen kommen – das geht in einer solchen Konstellation leider nur begrenzt. Teams stöhnen über die Last der Mehrarbeit, es gibt De-Commitments, und im Gesamten haben alle weniger Lust zum Arbeiten als vorher. Der Grund liegt in den Transitionskosten des Multiprojektmanagements.
Versuchen Sie einmal ein kleines Experiment: Das Ziel ist es, in möglichst kurzer Zeit 3 x 10 Zeichen (I-X, A-J, 1-10) auf ein Blatt Papier zu schreiben. Sie nehmen dafür 3 unterschiedliche Stifte und 3 Blatt DIN-A4-Papier zur Hand (diese liegen untereinander)
Variante I: Sie nehmen den ersten Stift, schreiben den Buchstaben „A“, legen den Stift weg, schieben das Blatt unter den Stapel, nehmen den zweiten Stift, schreiben „I“ auf das zweite Blatt, legen den Stift weg, schieben das Blatt unter den Stapel usw. – so lange bis Sie die drei Zeichenfolgen notiert haben.
Variante II: Sie nehmen das erste Blatt, notieren die Buchstaben A-J, nehmen das zweite Blatt, notieren die Zahlen I-X usw.
Bei welcher Variante haben Sie weniger Zeit benötigt?
Der ständige Wechsel zwischen verschiedenen Kontexten benötigt Zeit und schmälert die Leistungsfähigkeit enorm. Die Aufmerksamkeitskurve beim Taskswitching gleicht einer Sinuskurve – immer wieder braucht es Energie, sich in einen neuen Kontext einzufinden. Diese Beobachtung haben Sie vielleicht auch schon bei der kleinen Simulation gemacht.
Und so ist das auch bei Teilzeit-Scrum: Das Aufteilen von Teammitgliedern auf mehrere Projekte zerstört das enorm fokussierte Umfeld, das Scrum mit seinen Events schafft.

Tun Sie als Manager das, was keiner erwartet: Stellen Sie Ihre Teams vollständig frei

Wie entkommt man dem Dilemma? Die einfachste und zugleich herausfordernde Antwort lautet: Stellen Sie die Teams von anderen Projekten frei. 100 Prozent Kapazität für ein Projekt.
Das mag absurd klingen, doch so schöpfen Sie wirklich alle Vorteile der Agilität aus. Viele Manager – ob Weltkonzern oder KMU – haben eine sehr ähnliche Erfahrung gemacht. Freigespielte Mitarbeiter liefern praktisch dreifach Mehrwert:

  • Return on Investment & Time to Market: Das Produkt entsteht schneller
  • Multiplikatoren: Wer erfolgreich agil gearbeitet hat, wird es in der Organisation weitertragen
  • Impediments: Räumt man sie aus dem Weg, können auch nachfolgende Teams schneller liefern

Dieser Ansatz verlangt Mut, aber es lohnt sich. Sollten Sie nicht die Möglichkeit haben, solche Maßnahmen zu setzen, hilft häufig ein anderer Blickwinkel.
Folgende Gedankenlinie kann Ihnen dabei helfen, Ihre persönlichen Schritte zur Veränderung zu identifizieren:

  • Wieviel Kapazität haben meine Teams tatsächlich für die inhaltliche Arbeit?
  • Wie ließe sich diese Kapazität effektiver nutzen?
  • Welche Projekte verdienen wirklich 100 Prozent Aufmerksamkeit, welche nicht?
  • Welcher erste Schritt hätte gerade die richtige Größe, sodass Sie ihn innerhalb der nächsten 72 Stunden umsetzen könnten?

Sollten Sie beim Nachdenken über diese Fragen ins Grübeln kommen: Viele haben es schon vor Ihnen getan. Unsere Beobachtung ist dabei, dass die Lösung sehr häufig individuell gefunden werden muss. Die Chancen, dass Kollegen über die gleichen Baustellen stolpern wie Sie, nehmen jedoch zu. Teilen Sie gerne Ihre Erfahrungen und Sichtweisen. Vielleicht hat jemand bereits ein funktionierendes Rezept dafür entwickelt.

Foto: CC0 Creative Commons – pixabay, geralt

Geschrieben von

Paul Haase Paul Haase

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