Von User Experience Design, Agilität und Personas

Im Rahmen des World Usability Days und der vom Beratungsunternehmen USECON organisierten Konferenz „Return on Experience“ durfte ich einen Vortrag über den Zusammenhang zwischen User Experience Design und agilem Arbeiten halten. Zu allererst: Was ist User Experience eigentlich genau? So wie viele andere Begrifflichkeiten wird auch “User Experience” oft ungenau verwendet. Im Wesentlichen bezeichnet es die Gesamtheit der Erfahrungen, die ein Anwender mit einem Produkt oder einer Dienstleistung macht. Ziel des User Experience Design ist es, ein Produkt oder eine Dienstleistung so zu gestalten, dass die positive Erfahrung maximiert wird und negative Aspekte wie Frustration etc. vermieden werden. Somit spannt sich User Experience Design von der Gestaltung von Bildschirmmasken bis hin zum zielgerichteten Auslösen von Emotionen während der Produktnutzung.
Doch was hat das Ganze jetzt mit agilem Arbeiten zu tun?
Wenn wir uns die Ideen rund um Scrum 3.0 näher ansehen, erkennen wir, dass der User heute noch viel stärker in den Mittelpunkt rückt. Innovationsmethoden wie Design Thinking gehen ebenfalls diesen Weg und orientieren ihre gesamte Prozessmethodik ausschließlich am Endanwender. Die logische Konsequenz: Kompetenzen wie User Experience Design werden zu einer zentralen Fähigkeit von Scrum-Teams. Sie benötigen daher nicht nur einen User Experience Designer im Team, sondern müssen diese Kompetenz breiter integrieren – User Experience muss jeden im Team etwas angehen!
Die Grenzen zwischen Agilität und User Experience Design verschmelzen besonders stark bei der ganzheitlichen Integration von Personas in den Entwicklungsprozess. Personas sind fiktive Endanwender. Sie werden im Rahmen der Entwicklung modelliert, um sich besser in die Lebenswelt der künftigen User einfühlen zu können. Personas werden meist mit einem kleinen Lebenslauf versehen, um sie so real wie möglich zu gestalten. Sinn und Zweck ist es, jede User Story mit einer Persona als Rolle zu versehen. Welche Funktionalität braucht diese Persona genau? Und wie muss diese Funktionalität nutzbar sein, um die Persona zu begeistern?

Ein Beispiel aus dem Online Banking:
Ein Digital Native (20 Jahre, Student) stellt ganz andere Ansprüche an eine Überweisung als ein typischer Filialkunde (65 Jahre, Rentner). Ein „Heavy Trader“ hat an das Wertpapier-Depot völlig andere Anforderungen als der Durchschnittsbürger, der mit Wertpapieren für eine Zusatzrente spart.
So schaffen Personas die Brücke zwischen User Experience Design und User Storys. Mit Hilfe der Persona an jeder User Story kann sich das Team in die potentiellen Anwender hineinversetzen und so die optimale Lösung/Experience für jeden Anwender-Typ designen. Für Product Owner bieten Personas zudem die Möglichkeit, eine zusätzliche Achse der Priorisierung einzubeziehen. Funktionen, die hochprofitable Kunden (wie z.B. Heavy-Trader) überdurchschnittlich nutzen würden, wären eventuell priorisierter zu betrachten als andere.
Doch Personas können noch weit holistischer als in User Storys verwendet werden. Auf einem höheren Level können sie auch in Customer Journeys verwendet werden. In Customer Journeys wird analysiert, wie bestimmte Personas mit dem Unternehmen in Berührung kommen, um dessen Produkte zu kaufen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Hier können wertvolle Inputs für das Design der User Experience und in weiterer Folge für die Entwicklung generiert werden. Wie sieht ihre Customer Journey aus? Ist es ein Erlebnis aus einem Guss oder eine beschwerliche Reise mit vielen Hindernissen?

Um den Kreis der Personas nach User Storys und Customer Journeys zu schließen, sollten in weiterer Folge die tatsächlichen Anwender, die die Produkte oder Dienstleistungen verproben, anhand dieser Personas ausgewählt werden. So können die verschiedenen Hypothesen, die auf Basis der Personas erstellt wurden, an realen Beispielen verifiziert werden. Dieser gesamtintegrative Ansatz stellt sicher, dass die Entwicklung zentral am User und dessen Vertreter in Form der Personas ausrichtet ist.
In Zeiten der Digitalisierung wird User Experience zunehmend an Stellenwert gewinnen – gerade in agilen Teams, die an den Innovationen von morgen arbeiten. Bereiten wir dieser Entwicklung den Boden und forcieren wir ein breites User Experience Wissen in unseren Teams, um diesen neuen Anforderungen zu begegnen.

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Christoph Schmiedinger Christoph Schmiedinger Komplexe Themen und herausfordernde Technologien? Darin fühlt sich Christoph Schmiedinger besonders wohl. Er unterstützt Automobilhersteller und deren Zulieferer dabei, ihre Organisationen auf die Herausforderungen der Mobilitätswende vorzubereiten. Als erfahrener Executive Consultant und Wirtschaftsingenieur begleitet er außerdem hands-on den Wandel vom traditionellen zum agilen Unternehmen. Mit agilen Methoden arbeitet der gebürtige Österreicher seit über zehn Jahren. Dabei hat er insbesondere Expertise in agilen Transformationen und großen skalierten Projekten sowie in der agilen Weiterentwicklung von physischen Produkten und sicherheitskritischen Systemen aufgebaut. Er hat außerdem schon Digitalisierungsstrategien für Großbanken in Deutschland und Österreich entwickelt. Sein Wissen gibt er in Trainings, als Sprecher auf Konferenzen und in regelmäßigen Publikationen weiter. Christoph Schmiedinger ist der beste Beweis, dass sich Zielstrebigkeit, Offenheit und Humor bestens vereinen lassen. Besonders gerne arbeitet er mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen. „Commitment“ ist für ihn dabei einer der wichtigsten agilen Werte, weil er das Vertrauen schätzt, das in ihn gesetzt wird.

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Eine Antwort zu “Von User Experience Design, Agilität und Personas”

  1. Schöner Beitrag und spannend geschrieben.
    Mir fällt dazu noch ein dass mit Personas auch sehr leicht die Vision gestaltet werden kann. Beispielsweise kann in einem ein minütigen Clip kann so ganze Story der Produktnutzung klar gebracht werden. Die Personas – die HauptdarstellerInnen – und das Video dazu macht das Team in einer Video Prototyping Design Thinking Session. Alle verstehen damit von Anfang an worauf es letztlich ankommen soll. Der Fokus der Vision kommt über die Persona. Jeder der was zum Projekt/Produkt wissen will kann sich den Clip anschauen und Inhalte können sehr schell verbreitet werden.

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