Design Thinking für Product Owner – Teil 5: Wie entstehen eigentlich gute Ideen?

Unser Gehirn vermag Erstaunliches. Wie wäre es, wenn wir mehr von diesem Potential zur Problemlösung nutzen würden? Sicher haben auch Sie schon den Spruch gehört: “Kreative arbeiten am stärksten, wenn es aussieht, als ob sie gar nichts täten.” Und tatsächlich ist da etwas dran!
Im Business-Alltag herrscht die analytische Denkform. Wenn es aber darum geht neue Lösungen zu finden, ist es ratsam, auch in andere Denkformen vorzustoßen. In unseren Design-Thinking-Trainings für Product Owner und ScrumMaster wird beispielsweise die Ideenfindung vom Mittagessen unterbrochen: Die Teilnehmer haben sich 30 Minuten intensivem Brainstorming hingegeben, ihr analytisches Denken hat die meisten Ideen und Lösungsmöglichkeiten bereits hervorgebracht, diese warten auf bunten Haftnotizen an der Wand. Der Strom der Ideen versiegt langsam. – Pause –
Wir schalten die analytische Denkform absichtlich ab, aber Sie können sicher sein, dass die Gedanken im “Hinterkopf” weiter kreisen. Gemeinsam oder auch einzeln gehen wir essen und die Bedingung ist, dass jeder einen Block Haftnotizen und einen Stift in der Tasche hat. Und nun passiert Erstaunliches: Die Teilnehmer haben die Gelegenheit, ihre Aufmerksamkeit in die Bereiche der Reflexion, der Inspiration oder auch des Loslassens gleiten zu lassen. Nach der Mittagspause beginnen wir mit einem Team-Resync, d.h. wir nehmen uns 15 Minuten Zeit, um neue Ideen und Einsichten zusammenzutragen. Erfahrungsgemäß bringt hier mindestens die Hälfte der Teilnehmer noch einmal sehr wertvolle Impulse in ihr Team: “Ich habe da draußen etwas gesehen, da habe ich mich erinnert, dass…” oder “als ich noch einmal in Ruhe darüber nachgedacht habe, habe ich gemerkt, wie wichtig mir dieser Aspekt ist” oder “ich habe gar nicht daran gedacht, aber plötzlich hatte ich die Idee …”.

Analyse, Inspiration, Reflexion & Loslassen

Werfen wir nun noch einen genaueren Blick auf diese vier Denkformen und betrachten wir das Two-by-Two Diagramm für die Aufmerksamkeit. Die horizontale Achse reicht von eng (links) bis weit (rechts), die vertikale Achse reicht von innen (unten) bis außen (oben). Damit ergeben sich vier Bereiche.
Design Thinking & Change Management Flipcharts

Aufmerksamkeit eng und nach außen gerichtet: Die Analyse

Hier bewegen wir uns i.d.R. im Business-Umfeld. Diese Denkweise ist anstrengend und wir halten das maximal 1,5 Stunden aus, danach sinkt unsere Leistungsfähigkeit rapide ab. Die Analyse ist geeignet, um sich initial mit einer Fragestellung zu befassen und ein Grundverständnis zu schaffen. Sucht man jedoch auf diese Art nach einer Lösung, wird man nur selten eine Innovation finden.

Aufmerksamkeit eng und nach innen gerichtet: Die Reflexion

In diesem Bereich bewegen wir uns, wenn wir über unsere Prioritäten und persönlichen Ziele nachdenken, wir zapfe unser Wissen und unsere Erfahrung an. Dieser Bereich ist wertvoll, um beispielsweise allein einen Stapel generierter Ideen zu bewerten und diese Ergebnisse später mit anderen zu teilen.

Aufmerksamkeit weit und nach außen gerichtet: Die Inspiration

Hier bewegen wir uns seltener, denn nun kommen unsere Vorstellungskraft und die Erlebniswelten anderer Menschen ins Spiel. Die Business-Welt hat Angst vor diesem Bereich, weil er nicht berechenbar und planbar ist. Viele Kreativtechniken probieren hier in den Raum des Denkbaren vorzustoßen. Gelegentlich müssen diese Vorstöße ganz sanft passieren, weil sich viele Menschen auf für sie unsicheres Terrain begeben. Ein Besuch beim User führt beispielsweise Software-Entwickler oder Ingenieure in den Bereich der Inspiration: “Nur mal ganz kurz … wir kehren gleich zurück … nur mal ganz kurz raus, da hin wo der User ist … nur mal ganz kurz nicht an die Machbarkeit denken … und dann hopp, hopp, schnell zurück.” Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Einsichten und Ideen von solchen Ausflügen mitgebracht werden.
Eine andere, noch komfortablere Methode, um in den Raum des Denkbaren zu gelangen, ist die Verlagerung der Frage an andere Orte oder Zeiten: “Wie würde Supermann das lösen? Wie würde das auf der Enterprise oder im Mittelalter aussehen?”

Aufmerksamkeit weit und nach innen gerichtet: Das Loslassen

Dies ist ein defokussierter Zustand, hier werden Metaphern und Witze verstanden. Es ist ein Bereich, der meist komplett ignoriert wird. Wer ihn allerdings entdeckt, kann beobachten, wie sich Lösungen ganz von selbst im Kopf materialisieren – meistens dann, wenn man es eigentlich gar nicht erwartet. Mancher Mensch kann diesen Zustand nach jahrelangen Meditationsübungen schnell herbeiführen. Mir gelingt es manchmal nach dem Sport unter der Dusche, wenn der Körper ermattet dasteht, Wasser über meinen Kopf fließt und meine Gedanken mit dem Wasser treiben. Gelegentlich “erwache” ich aus diesem Zustand und habe das dringende Gefühl, eine Art “Eingebung” aufschreiben zu müssen.

Integration ins Unternehmen

In Unternehmen ist es i.d.R. nicht einfach, den analytischen Bereich zu verlassen. Andere Denkweisen zu erkunden braucht Zeit und Raum! Außerdem vereinheitlicht die Unternehmenskultur die Denkweise von Mitarbeitern. Tradition und Gewohnheit verhindern den Blick über den Tellerrand. Und genau deshalb sind “Kreative” auch oft gerade dann produktiv, wenn man es ihnen nicht ansieht. Denn Sie haben Wege gefunden, sich mit Ruhe den anderen Denkweisen hinzugeben.
In der Innovationsarbeit gilt also:
Raus aus der Routine -> Sondersituation schaffen -> Rückführung in den Alltag
Dieser Prozess braucht eine professionelle Begleitung. Eine schnelle und günstige Lösung sind daher Coaches von außen, zumal Innovation auch immer eine Schleuse von außen nach innen benötigt. Aber auch die Schnittstellen in dieser Kette sind kritisch. Die Überführung von Wissen benötigt eine interne Konstante. Diese Konstante ist im besten Fall der Product Owner.
Tipp: Mit den unterschiedlichen Arten der Aufmerksamkeit können Sie in unserem Training “Produktfindung mit Design Thinking” experimentieren. Alle Informationen und Termine gibt es hier.
Design Thinking für Product Owner – Teil 1: Was ist eigentlich Design Thinking?
Design Thinking für Product Owner – Teil 2: Das Design-Thinking-Team
Design Thinking für Product Owner – Teil 3: Des Design-Thinking-Raum
Design Thinking für Product Owner – Teil 4: Der Design-Thinking-Prozess

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bgloger-redakteur bgloger-redakteur

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