Das mittlere Management ist tot, es lebe das mittlere Management!

Was ist das eigentlich, das mittlere Management? Ich denke, es ist dabei zu verschwinden – zumindest in der Form, wie wir es kennen. Wieso ich das denke? Das gilt es zu zeigen, hier also mein „Beweis“.

Anzug vs. Jeans

Viele mittlere Manager glauben, sie würden dazu dienen, die Kollegen auszusteuern, Anweisungen zu erteilen und dafür zu sorgen, dass die Produktivität in einem Unternehmen erhalten bleibt. Wenn man ihnen aber so zuschaut, stellt man fest, dass das mittlere Management oft 90 Prozent seiner Zeit mit sich selbst beschäftigt ist. Manager reden mit Managern. Als ich diese Beobachtung auf einer Konferenz in einer der Kaffeepausen darlegte, sagte eine Tischnachbarin: „Ja, das Management bildet ein geschlossenes System. Es gibt Management-Veranstaltungen, auf denen Manager sich zu Clubs formieren. Sie gehen zu anderen Veranstaltungen als zum Beispiel die Techniker im Unternehmen.“ Ich stutzte: War da was Wahres dran? Die auffälligste Beobachtung habe ich vor ein paar Jahren bei einem Kunden  gemacht: Dort liefen die Manager ausschließlich in Anzug und weißem Hemd herum, während alle Ingenieure und Software-Entwickler in Jeans und kariertem Hemd unterwegs waren. In der Kantine konnte man die Lager besonders gut erkennen.
Nun darf man aus einer Beobachtung nicht auf die Allgemeinheit schließen, aber die Formulierung der Kollegin machte mich hellhörig. Seitdem beobachte ich in den Unternehmen – nebenbei – wie viel Interaktion, also echtes Zusammenarbeiten, zwischen den mittleren Managern und den Nicht-Managern herrscht. Das ist wirklich faszinierend: Es gibt so gut wie keine. Ein Statusmeeting von 1 bis 2 Stunden pro 60-Stunden-Woche – das sind 2 bis 5 Prozent der Zeit, die das Management mit den Kollegen, die sie führen sollen, aufbringt. Rechnen wir noch die Zeit für das Schreiben von E-Mails hinzu, kommt man vielleicht auf 20 Prozent der Wochenarbeitszeit, also 8 bis 12 Stunden, in denen das mittlere Management mit den Kollegen redet. Doch das bedeutet doch, dass die Kollegin Recht hatte: Das Management baut ein geschlossenes System, das die Realität nur noch aus Erzählungen Chats, Power Point und Reporting-Meetings kennt. Eine Kaste, die gar nicht mehr dazu dient, die Kollegen auszusteuern und ihnen dabei zu helfen, ihre Arbeit zu machen. Das kann am Ende aber nur dazu führen, dass das Management selbst eine aussterbende Spezies ist. Internet, Netzwerke, Plattformen, Tools wie JIRA und Co, die eingeführt werden, um die Sichtbarkeit für das Management zu erhöhen, machen es ja nun möglich, dass das Top Management tagesaktuell sieht, was die Teams liefern. Also braucht es ja kein mittleres Management mehr, dessen Aufgabe darin besteht, für Berichte und Informationsweitergabe zu sorgen. Das mittlere Management ist tot. Q.e.d!

Der neue mittlere Manager: der ScrumMaster

Das mittlere Management wird in dieser Form einfach nicht gebraucht. Das machen Firmen wie Facebook und Co vor. (1) Dort wird man nicht deshalb Manager, weil das die nächste logische Entwicklung zu mehr Macht und Geld ist, sondern weil es tatsächlich einige Funktionen gibt, die es durch dafür geeignete Menschen zu füllen gilt. Diese sorgen dort für Zusammenarbeit. Das funktioniert aber nur, wenn das mittlere Management seine originäre Aufgabe – für die Zusammenarbeit von Teams zu sorgen – wieder erfüllt. Wie das geht?
Toyota führte vor Jahrzehnten das Prinzip des Genchi Genbutsu ein: „Go and See“ – das Management soll dorthin gehen und dort mit seiner Aufmerksamkeit anwesend sein, wo die Arbeit stattfindet. Das bedeutet in den heute wichtiger werdenden wissensverarbeitenden, kreativen Berufen, dass das Management im selben Raum wie Grafiker, Software-Entwickler, Ingenieure, Wissenschaftler sitzen und arbeiten sollte. Also wirklich dort vor Ort sein. Seien wir großzügig: Zu Beginn sollten es wenigstens 50 Prozent der Zeit sein. Sie müssten schauen, was dort geschieht, verstehen ohne zu stören und herausfinden, wie sie dafür sorgen können, dass ihre Kollegen schneller – d.h. produktiver – arbeiten können. Wäre es das, was das Management täte, dann könnte man sich Reporting, Listen und Charts schenken. Sehr viel Zeit würde dadurch gespart und auf diese Weise könnte wieder produktiv an der Sache gearbeitet werden. Trotzdem gäbe es kein Informationsdefizit, denn die Manager wüssten ja aus erster Hand, was geschieht.
Dem geneigten Leser fällt jetzt sicher auf: Das ist die Stellenbeschreibung eines ScrumMasters. Ja, der ScrumMaster ist ein mittlerer Manager. Er sorgt dafür, dass Teams perfekt zusammenarbeiten, löst Probleme und gewährleistet, dass Scrum-Teams liefern. Aus einem ScrumMaster wird schnell wieder ein mittlerer Manager alten Zuschnitts, wenn man ihm Macht über die Teams gibt. Daher gilt die klare Regel: Der ScrumMaster ist nicht personell für die Kollegen verantwortlich. Er bleibt eine laterale Führungskraft, der für sein Team da ist und den Raum aufspannt, in dem gearbeitet werden kann. Es lebe das mittlere Management.
(1) http://qz.com/229542/facebook-office

Geschrieben von

bgloger-redakteur bgloger-redakteur

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