Die 3 Säulen der Teamarbeit – zentrale Elemente der Selbstorganisation in Teams

Wie kann man sein Team kontinuierlich entwickeln? Woher nimmt man die Informationen, um initiativ zu werden? Wann, wo und wie funktioniert effektive und zielorientierte Teamentwicklung, die Selbstorganisation unterstützt und stärkt?
Teamarbeit und Teamentwicklung bedeuten den Umgang mit Komplexität, Heterogenität, Synergie und Dynamik. Gerade das Element der Selbstorganisation umgibt in der Praxis ein nebulöser Mythos, der zu vielen Missverständnissen führt. Es ist entweder ein unreflektiertes Heiligtum oder ein nerviger Störfaktor, vor allem für das Umfeld eines Teams. Ich plädiere für „schlanke“ Selbstorganisation: Ein Team soll in erster Linie die fachliche Leistung erbringen und sich erst in zweiter Linie um organisatorische und zwischenmenschliche Phänomene kümmern.
Das Modell der „3 Säulen der Teamarbeit“ bietet sich als praxisnahe und überschaubare Analyse-, Reflexions- und Handlungsfolie an.

Die 3 Säulen der Teamarbeit

Die erste Säule: das einzelne Individuum

In teamfokussierten Arbeitsmodellen wie Scrum hat das Kollektiv (berechtigterweise) einen sehr hohen Stellenwert. Aber es nützt alles nichts, jedes Team besteht nun mal aus mehreren Individuen, aus Menschen mit persönlichen Eigenschaften, Werten, Einstellungen, Kenntnissen, Potentialen usw. Ein Team kann also nur eine so gute Leistung liefern, wie die einzelnen Teammitglieder mit wesentlichen, teamspezifischen, Merkmalen ausgestattet sind. Basis der Aufgabenbewältigung ist in jedem Team ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz. Diese sollte durchaus unterschiedlich, d.h. heterogen verteilt sein.
Soziale Kompetenzen wie Kontaktfreude Offenheit, Kritikfähigkeit, Lernfähigkeit, Flexibilität, Zuverlässigkeit und Toleranz jedes Einzelnen sind Bedingungen für ein angenehmes Teamklima, für effektiven Austausch und somit für ein gutes Gruppenergebnis. Teamarbeit erfordert vor allem ein „reifes, erwachsenes Persönlichkeitsprofil“. Das heißt, als Teammitglied emotional und rational ausgeglichen handeln zu können und in der Lage zu Selbstreflexion und Selbstdistanz zu sein. Regressive Elemente wie Trotz, Ich-Bezogenheit, mangelnde Kritikfähigkeit usw. stören leistungsbezogene Teamprozesse massiv. In Stellenanzeigen wird heute generell die ziemlich ominöse „Teamfähigkeit“ verlangt, in der Praxis entpuppt sich das aber oft als Blabla. Keiner weiß so recht, was genau gemeint ist.
Ich bin der Meinung, dass die allermeisten Mitarbeiter „teamfähig“ sind, oft aber sind sie „teamunwillig“, aus welchen Gründen auch immer. Es geht also weniger ums Können, sondern meist ums Wollen. Nach dem Willen zur Zusammenarbeit im Team zu fragen ist also entscheidend, wenn Teams zusammengestellt werden. Mitarbeiter, die (direkt oder indirekt) wenig Lust und Bereitschaft zur Teamarbeit zeigen, sind demnach grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen. Oft ist es jedoch, wenn auch mit einigem Aufwand, möglich, Teamunwilligkeit zu überwinden. Die Säule Individuum fordert auf, bei der Auswahl der Teammitglieder (in allen Rollen) sorgfältig und gezielt vorzugehen. Die Zusammenstellung von Teams entscheidet wesentlich, wie schnell und gut ein Team performt.

Die zweite Säule: die Binnenstruktur des Teams

Elf Weltklassefußballer ergeben noch lange keine Spitzenmannschaft, obwohl sie vielleicht individuell alle Voraussetzungen der Säule 1 erfüllen. Ein Leistungsteam braucht eine komplexe Binnenstruktur, um Arbeitsprozesse und soziale Dynamiken, im Idealfall weitgehend selbstorganisiert, gestalten zu können. Selbstorganisation heißt nichts anderes, als diese Struktur im Rahmen der vorgegebenen Bedingungen gemeinsam zu entwickeln und kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Ein effektives Team braucht klare Gruppenziele und (vereinbarte) Regeln der Zusammenarbeit. Transparente Kommunikation der Mitglieder untereinander, der Mitglieder mit der Führung und der Gruppe nach außen, sind eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen eines Wir-Gefühls in der Gruppe und für die Aufgabenbewältigung. Eine klare disziplinarische oder/und laterale Führung, eine funktionale Verteilung der Rollen und Aufgaben, sowie eine Beteiligung der Gruppe an den wesentlichen Entscheidungen sorgen für Stabilität und Effektivität. Ein fachliches Team soll in erster Linie Ergebnisse produzieren und definiert sich primär auch darüber. Das klingt banal, aber das geht oft zunächst in dem – meist von außen herangetragenen – Wunsch nach Selbstorganisation unter. Nicht selten fühlen sich Scrum-Teams, vor allem in der Anfangsphase, überfordert, die Binnenstruktur selbst zu entwickeln, sie wollen einfach nur Software entwickeln. Hier ist es sinnvoll, klare Vorgaben zu machen, Zeit zu geben und die Führungsrollen wie ScrumMaster, Manager, Product Owner als Teile des Selbstorganisationsprozesses aktiv einzubeziehen.
Gerade Scrum bietet durch definierte Artefakte, Workshopformate, Scrumflow eine hilfreiche Binnenstruktur.

Die dritte Säule: der Kontext, in den das Team eingebunden ist

Schaut man sich Impediment Backlogs an, sind viele Themen, die Teamarbeit behindern, im Umfeld der Teams angesiedelt. Teamarbeit findet ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist vielfach mit dem System vernetzt, in dem es wirkt. Eine ausreichende und positive Kommunikation zwischen Team und Gesamtsystem an den wesentlichen Schnittstellen spielt eine wichtige Rolle für die Orientierung. Auch ein selbstorganisiertes Team braucht einerseits Unterstützung von außen und andererseits ausreichende Freiräume. Hilfsmittel müssen bereitgestellt, Leistungen anerkannt werden. Die Führungsstrukturen im Kontext müssen menschen- und sachorientiert ausgerichtet sein, mit flexiblen, transparenten und agilen Hierarchien. Wichtig ist hier die Rolle und Funktion des Managements als Struktur- und Rahmengeber, sowie Konfliktlöser. Wobei hier Konflikte in einem weiteren Sinne als nicht von Team selbstständig entscheidbare Entscheidungssituationen gesehen werden müssen.

Fazit

Nur wenn die drei Säulen „Teammitglied, Binnenstruktur und Kontext“ gut entwickelt und stabilisiert sind, kann ein Team sein Synergiepotential optimal entfalten. Der Entwicklung und Balance der 3 Säulen sollte daher Zeit und Spielraum gegeben werden. Effektivere Teams entstehen nicht durch eine Definition von oben („ab jetzt machen wir effektive Teamarbeit“), sondern durch gezielte und bewusste Steuerung aller Säulenfaktoren. Dies geschieht über genau definierte Teamkonzeption, klare Zielsetzungen und Aufgabenstellungen, interne Kommunikation und Reflexion, Schulung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Verhalten, Coaching von Einzelnen und ganzen Teams (Teamentwicklung).
Die 3 Säulen eignen sich besonders auch zur Diagnose bereits bestehender Teams, um herauszufinden, wo Stärken und Schwächen des Teams liegen. Die einzelnen Teammitglieder, die Führungskraft und Außenstehende können zu den jeweiligen Säulenthemen Feedback geben. Durch das Selbst- und Fremdbild können so, nach der Diagnose, Maßnahmen zur Optimierung erarbeitet und umgesetzt werden.
Also, macht doch mal eine „3-Säulen-Retro“ mit Euren Teams!

Titelbild: © Fauxels, Pexels

Geschrieben von

Dieter Rösner Dieter Rösner

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Eine Antwort zu “Die 3 Säulen der Teamarbeit – zentrale Elemente der Selbstorganisation in Teams”

  1. Claus Polanka sagt:

    Ausgezeichneter Beitrag. Danke dafür.

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